Törnbericht: die Atlantikrunde ist vollbracht!

Liebe Segler:innen,

wir haben den Atlantik ein weiteres Mal überquert und sind wieder gut auf Fehmarn angekommen. Die Atlantikrunde ist vollbracht und wir sind stolz wie Bolle!

Aber nun der Reihe nach. Unser letzter Bericht war vom März 2022. Zu der Zeit lagen wir (Judith & Peter) mit unserer FantaSea noch auf Antigua & Barbuda. Anfang April verließen wir die Trauminsel Barbuda und segelten mit zwei befreundeten, schwedischen Yachten nach St. Barthelemy. Nach 66 sm fiel in der Bucht von Gustavia der Anker. Ein krasser Weltenwechsel. Gab es auf Barbuda fast nichts außer wunderschöner, unbewohnter Strände, so sind wir in St. Barth mit dem Luxusleben konfrontiert. St. Barth ist das St. Tropez der Karibik mit Nobelboutiquen und namhaften Uhren- und Schmuckläden. Hier tummeln sich die Schönen und Reichen. Trotzdem hat sich der Ort und die Insel viel Charme bewahrt und wir fühlten uns ziemlich wohl. Als wir weiter nach St. Martin aufbrechen wollten, hatten wir unser erstes technisches Problem. Der Motor der Ankerwinsch machte keinen Mucks mehr und wir mussten den Anker von Hand hochziehen. Möglich aber sehr mühevoll.

In der Marigot Bay auf St. Martin finden sich viele Segler ein. Hier werden die Schiffe klar gemacht für die Heimreise nach Europa und bei zahlreichen Bootsausrüstern und Handwerkern bekommt man fast alles. Der Trans-Ozean Stützpunktleiter Michael konnte uns auch mit unserem Ankerwisch-Motor weiterhelfen und diesen reparieren. Hier erwischte es uns dann mit Corona. Vollbremsung –  und wir lagen drei Wochen in der Bucht vor Anker. Zum Glück versorgten uns die umliegenden Segler:innen mit dem Nötigsten. Wieder genesen waren wir sehr froh, nach dieser langen Zeit, in einem Nachttörn zu den Britischen Jungferninseln (BVI) zu segeln. Beim Einklarieren in Road Town wurde die Vorfreude auf die BVIs etwas getrübt. Die Beamten waren sehr unfreundlich, umständlich und wir Segler wurden ordentlich zur Kasse gebeten. Nachdem wir in der Summe 140 US Dollar bezahlt hatten, erhielten wir unsere Einreisegenehmigung.

Die BVIs sind ein traumhaftes Segelrevier. Um die Hauptinsel Tortola liegen viele weitere Inseln, die in einem Tagestörn erreicht werden können und wir hangelten uns, bei meist schönem Passatwind um die 20 KN, von Insel zu Insel. Unser absolutes Highlight ist „The Bath“ auf Virgin Gorda. Hier trafen wir zufällig vier befreundete Yachten aus Deutschland und wir feierten eine Beachparty mit Lagerfeuer am Strand. Drei wunderbare Wochen bummelten, tauchten und schnorchelten wir durch diese traumhafte Inselwelt und nahmen am 11. Mai Abschied von der Karibik. Wehmütig steckten wir den Kurs zu den Bermudas, denn es war uns klar, ab jetzt beginnt die Heimreise.

830 sm lagen vor uns. Kurs Richtung Nord durchs berüchtigte Bermuda Dreieck. Ein SE-Wind mit 20-25 KN brachte uns gut voran und wir erreichten am ersten Tag ein Etmal von 155 sm. Es schien eine gute Überfahrt zu werden. Am zweiten Tag bekamen wir Probleme mit dem PC und konnten keine Wetterdaten mehr abrufen. In der darauffolgenden Nacht gab es einen heftigen Schlag an Deck und bei Tag zeigte sich das ganze Dilemma. Der Baumniederholer war aus dem Großbaum gerissen und der Baum hatte an jeder Seite einen ca. 10 cm langen Riss! Um den Baum zu entlasten, bargen wir das Großsegel und segelten nur noch mit der Genua weiter. Zwar etwas langsamer, dafür „save“. Am 6. Tag auf See funktionierte der PC wieder und wir konnten Mails und Wetterdaten abrufen – ein Glück. Dennoch riss die Schadenserie nicht ab. Am Tag sieben riss der Zahnriemen unseres elektrischen Autopiloten. Der Wind nahm auf 5-10 KN ab und wir mussten von Hand steuern. Nach 8 Tagen erreichten wir dann St. Georg auf Bermuda – langweilig war uns auf dieser Passage nie.

Bermuda hat uns vom ersten Anblick beeindruckt. Die Landschaft erinnerte uns mit der felsenzerklüfteten Küste und den niedrigen Nadelbäumen an nordeuropäische Küsten. Wir packten unsere Mountainbikes aus und erkundeten die Insel. Der Lebensstandard auf Bermuda ist sehr hoch und die Preise auch. Alles muss eingeführt werden. Für eine Wassermelone bezahlten wir 25 USD!!! Gut, dass wir noch Vorräte hatten. In der Bucht von St.George lagen wir gut und konnten all unsere Reparaturen erledigen. Der Großbaum musste geschweißt werden. Zum Glück fanden wir einen guten Rigger, der sich um die Schweißarbeiten kümmerte. Den Zahnriemen für den Autopiloten konnten wir (mit dem Schwarmwissen der anderen Segler:innen) selbst ersetzen und auf dem PC installierten wir ein Backup für Sailmail.

Es ist allgemein bekannt, dass die Rückreise über den Nordatlantik anspruchsvoller und anstrengender sein kann als der Hinweg. Von USA ziehen die Tiefdruckgebiete von West nach Ost und bringen auch den notwendigen Wind, der uns über den Atlantik bringen wird. Nur nicht so konstant und aus unterschiedlichen Richtungen. Für die Passage buchten wir das Wetterrouting von Wetterwelt aus Kiel.

Nach zwei Wochen waren alle Reparaturen erledigt, die Vorräte aufgefüllt und „die Crew“ ausgeruht und mental bereit für den großen Schlag über den Atlantik. Im Golf von Mexiko braute sich der erste „tropical storm“ zusammen. Es wurde Zeit und so zogen wir am 31. Mai die Segel hoch Kurs Richtung Azoren. Mit uns verließen noch eine Deutsche und eine Schweizer Yacht Bermuda. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass noch andere Yachten in der Nähe sind – auch wenn man sich nach 2 Tagen nicht mehr sieht. Wir blieben mit den beiden über E-Mail in Kontakt. Der „tropical storm“ hatte den Namen „Alex“ erhalten und zog nicht, wie gehofft, nach NE, sondern nach E – also in unsere Richtung. Wetterwelt informierte uns, dass „Alex“ uns in drei Tagen einholen wird. Um dem etwas auszuweichen, änderten wir den Kurs nach S und bereiteten uns auf schweres Wetter vor. Wir backten Brot und kochten vor, bargen das Großsegel und refften die Genua. Am 8. Tag auf See war es so weit. Alex kam mit 30 KN-Wind angerauscht. Die Wellen wurden bis zu 3 m hoch und die Schläge im Schiff heftiger und lauter. Das Deck war immer wieder überflutet, Niedergang und Schiebeluk hielten wir geschlossen, damit kein Wasser eindringen konnte.

Wir bewegten uns äußerst vorsichtig und dennoch passierte es. Eine Welle schlug hart gegen das Schiff, Judith wurde zur Seite an den Kartentisch geschleudert, brach sich drei Rippen und konnte ab diesem Moment nur noch unter Schmerzmitteln im Salon liegen. Ich war dann für die nächsten zwei Wochen Einhandsegler, Krankenpfleger und Koch.
Nach drei Tagen war der Sturm vorbei und es folgte eine Flaute. Aufatmen, aufräumen und einen Kontrollgang an Deck. Alles war noch am richtigen Platze und gut verstaut. Geplant hatten wir ca. 15 Tage für diese Etappe und erreichten nach 21 langen Tagen auf See endlich Horta auf den Azoren.

Schon auf dem Weg zu den Azoren war klar, dass Judith mit dem Rippenbruch die nächste Passage nach England nicht mitsegeln kann/sollte. Noch auf See nahmen wir Kontakt zur StSG auf und suchten nach einem Mitsegler. Jörg Wittig von der StSG hat sich sehr schnell gemeldet und nach ein paar Telefonaten buchte Jörg einen Flug nach Sao Miguel und kam zu uns an Bord. Judith setzte ihre weitere Reise nach England mit dem Flugzeug fort. Jörg und ich lösten am 10.07.22 die Leinen mit Ziel Falmouth in England.

Die ersten zwei Tage hatten wir leichte Winde aus N bis NW. Am 3. Tag nahm der Wind auf 25-33 KN zu. Leider drehte der Wind weiter auf NNE, so dass wir unser Ziel nicht direkt ansteuern konnten. Die darauffolgenden Tage wurden nass und unbequem. Wir versuchten gegen Wind und Welle weiter Richtung Osten zu kommen. Tag 6 auf See. Der Wind dreht endlich auf SE und wir konnten den Kurs auf NE ändern.  Am Tag 7 auf See tauchte 30 m von uns ein Wal auf und bescherte uns einen unvergesslichen Moment! Am Tag 9 waren wir auf der Höhe von A Coruna (Spanien) und rauschten mit S-Wind durch die Biskaya. Hier mussten wir wieder verstärkt auf den zunehmenden Schiffsverkehr achten und wir hielten uns parallel zum Verkehrstrennungsgebiet. Einige Schiffe fuhren aber quer durch die Biskaya auf der E-W Achse und wir waren dreimal mit Frachtschiffen nachts auf Kollisionskurs. Erst nachdem wir mit den Frachtern Kontakt über Funk aufgenommen hatten und die Situation klärten, hatten diese ihren Kurs geändert! Wir sind kurshaltepflichtig! Nach 12 Tagen und 1.335 sm erreichten wir endlich Falmouth in Südengland. Judith und Freunde von uns aus Lindau erwarteten uns bereits im Hafen. Jubel – Jubel. Wieder ist ein Teilstück geschafft. Jörg musste weiter nach Stuttgart und Judith kam wieder an Bord.

Die südenglische Küste bietet so viele historische Ortschaften, Klippenwanderungen, großartige Gärten und versteckte Buchten. Touristisch gut erschlossen und dennoch gibt es ein Gefühl von Abgeschiedenheit. Wir könnten Wochen verbringen, aber leider blieben uns nur noch drei Wochen bis Fehmarn und so erlaubten wir uns nur wenige Stopps. Um Strecke zu machen, segelten wir meist mit einem Nachttörn.

Weiter Richtung Osten war es aufregend, in den „Solent“ einzufahren. Dieses schmale Fahrwasser trennt England von der kleinen Insel „Isle of Wight“ und gilt als sehr anspruchsvolles Seegebiet. Starke Strömung (bis zu vier Knoten), drei Meter Tidenhub und viele Sandbänke und Untiefen. Als wir in der Ortschaft Cowes (Isle of Wight) anlegten, bemerkten wir erst, dass dort gerade eine der größten und ältesten Segelregatten Europas stattfindet, die „Cowes Week“. Buntes Treiben herrschte in der Stadt.

Über Dover ging unsere Fahrt weiter in den Ärmelkanal. Hier verengt sich die meistbefahrende Wasserstraße der Welt von 180 km im Westen auf 34 Km im Übergang zur Nordsee.  Ca. 400 Containerschiffe, Tanker, und Passagierschiffe begegnen sich hier täglich und zudem kreuzen Fähren von der Normandie nach England. Dazwischen Fischer und Sportsegler wie wir, die sich auch durch dieses Nadelöhr zwängen. Da ist was los! Blinkende Windparks, Sperrgebiete, Untiefen, jede Menge Wracks und die teils ungemütlichen Wind- und Gezeitenverhältnisse sind obendrein herausfordernd.

Hilfreich sind hier Verkehrsregeln mit einem klar markierten Fahrwasser und Kreuzungen (wie auf der Straße) für die Großschifffahrt und für uns.

Wir entschieden uns, über Nacht direkt nach Holland auf die Insel Vlieland zu segeln. Indem wir die ersten 50 Seemeilen am Rand des Fahrwassers auf der englischen Seite blieben, konnten wir die verkehrsreiche Einfahrt nach Rotterdam umgehen. Nachts querten wir dann im 90 ° Winkel das Verkehrstrennungsgebiet.

Auf Vlieland machten wir erst mal „Urlaub“. Windbedingt mussten wir leider nach zwei Tagen wieder los und segelten nach einer weiteren Nachtfahrt bei einlaufender Tide die Elbmündung rein nach Cuxhaven. Am 09.08.2022 schließt sich der Kreis – Deutschland ist erreicht.

Die nächsten Tage bewegten wir uns gemächlich durch den Nordostseekanal, ankerten noch ein letztes Mal in einer gemütlichen Bucht und sahen am 14.8.2022 nachmittags schon aus aller Ferne die Fehmarnsundbrücke. Wir wurden ganz ehrfürchtig, vor uns die große Brücke und in unserem Rigg flatterten die 19 bunten Flaggen der Länder, die wir auf unserer Reise besuchten.

Nach genau 13 Monaten und 12.052 sm im Kielwasser wurden wir im Hafen von Burg Tiefe schon von Freunden und Tochter Selina mit Freund erwartet. Freudentränen flossen und wir sind überglücklich und dankbar, dass wir diese Reise erleben durften und wieder gesund angekommen sind.

PS.: Unsere komplette Reise könnt ihr nachlesen unter www.segeln-mit-fantasea.de

NO COMMENTS

Comments are closed.