Ein Tag aus dem StSG Bretagnetörn 2019
Von Andreas Kicherer
Es ist 1 Uhr nachts am Vendee-Globe-Steg von Les Sables d’Olonne. Die zahlreichen Offshore-Rennyachten um uns herum dümpeln in dem leichten Seegang im geschützten Hafen.
Bei jeder Bewegung klacken die Sicherungs-haken unserer Lifeleinen leise. Die erste Wache schleicht schlaftrunken aus der Koje und die Stimmen sind gedämpft. Das Rotlicht wirft seinen schwachen Schein in den Salon, die Beleuchtung der Instrumente ist gedimmt.
Ein letzter Blick auf die Windlupe zeigt, dass der Wind tatsächlich gedreht hat und jetzt -wie vorhergesagt- günstig für unser nächstes Ziel Joinville auf der Ile d‘Yeu steht. Noch kurz die Wettervorhersage überprüfen: Der Wind soll mit N bis NNE 4-5 bft für die nächsten Stunden so bleiben und weht nicht mehr genau auf die Nase. Es könnte gerade so für einen Anlieger hoch am Wind reichen. Wir können also ablegen. Tom fährt mit der X46 schon langsam an uns vorbei, etwas weiter hinten sieht man die Positionslampen der First 40 von Bernd.
Zwei Personen an die Leinen und Fender, die Steuerbordmaschine leicht achteraus und die Backbordmaschine Standgas voraus. Der riesige 55 Fuß Katamaran dreht sich wie von Geisterhand langsam um die Achterspring, mit dem Bug weg vom Steg. Die Leinen los, beide Maschinen kleine Fahrt voraus, und der einlaufende Flutstrom kann uns nicht mehr auf den Steg drücken.
Draußen empfängt uns die Atlantikdünung und etliche hell erleuchtete Fischerboote bringen ihren nächtlichen Fang nach Hause. Das Fahrwasser ist zwar recht breit, die Situation aber trotzdem unübersichtlich, da die Positionslaternen der Fischer nur schwer in dem Lichtermeer auszumachen sind. Zum Glück haben wir ein AIS an Bord, das uns vor Kollisionskursen warnt, den „closest point of approach“ und die bis dahin verbleibende Zeit anzeigt. Echt hilfreich.
Moritz und Linus, unsere starken Jungs, setzen das durchgelattete Großsegel am doppelt untersetzten Fall. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Tom und Bernd sind weiter vorne auch schon mit dem Segelsetzten beschäftigt.
Hoch am Wind zeigt der Windanzeiger zwischen 16 und 18 kn an. Das muss man beobachten, wurde uns doch bei der Schiffsübergabe sehr eindrücklich eingebläut die angegebenen Reffpunkte strikt einzuhalten, da der Kat ja kentern kann. Die Wellen fühlen sich Nachts auch deutlich höher und gefährlicher an als Tags und die ersten Böen gehen schon beträchtlich nahe an den Reffpunkt von 21kn. Glücklicherweise lässt der Wind weiter draußen nach, und die zweite Wache kann ihren Dienst beginnen.
Der Kat liegt fast waagerecht im Wasser und stampft nur wenig trotz des Hoch-am-Wind Kurses. Die Wachen sind gut eingewiesen und man kann sich auf sie verlassen. Das verspricht einen erholsamen Schlaf für die Freiwachen. So kommt auch Ralf um 8.00 Uhr zum Wecken, wir sind schon vor Joinville bei abgeflautem Wind. Die 36 sm haben wir in etwas mehr als 6 h geschafft. Die beiden Monohulls sind schon im Hafen, da sie etwas höher an den Wind konnten und einen Kreuzschlag weniger benötigt haben. Das Wasser läuft schon eine gewisse Zeit ab, und vor der Hafeneinfahrt liegt eine Barre, über die wir mit hochgezogenem Schwert aber gut fahren können. Der Hafen selbst ist recht eng und eigentlich nicht für einen so großen Kat vorgesehen. Aber es ist schon Nachsaison, und wir waren angemeldet. Unsere Freunde von der X und der First erwarten uns schon am Steg und nehmen die Leinen ab. Welch ein herrliches Willkommen.
Nach einem ordentlichen Frühstück bleibt so noch der ganze Tag, um die Insel zu erkunden. Es werden je nach Gusto Fahrräder geliehen oder manche machen sich zu Fuß auf, um die Insel zu umrunden. Die Sonne scheint es ist um die 23 Grad und ein laues Lüftchen weht. Es gilt herrliche Wege, tolle Landschaften, verträumte Buchten, mächtige Befestigungsanlagen, eindrucksvolle Leuchttürme und romantische kleine Häfen auf der traumhaften Insel zu entdecken.
Ein weiterer herrlicher Tag geht mit einem guten, von Olli gekochten Essen mit frisch gekauftem Fisch zu Ende. Im großen Freiluftsalon des Kats trifft sich der eine oder die andere noch, um bei einem guten Pfälzer Wein den Tag ausklingen zu lassen und müde, aber glücklich in die Kojen zu fallen. Morgen wird es bestimmt auch wieder spannend, müssen wir doch rechtzeitig wieder über die Barre am Hafenausgang. Was da und die Tage vorher passiert ist konntet Ihr ja schon in unserem Live-Blog lesen.
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